Welche Beziehungen, welche Lieben und welche Intimitäten werden in literarischen Texten in den Mittelpunkt gerückt, welche bewohnen die Fußnoten? Diesen Fragen sind wir gemeinsam mit der Schriftstellerin Stefanie de Velasco in einer kurzen queer*feministischen Schreibpraxis nachgegangen. Ausgehend von klassischen Begriffen aus der tradierten Liebessemantik, in denen oftmals Naturphänomene und intensive romantische Gefühle miteinander verknüpft werden („Flamme”, „Frosch”, „Sonnenuntergang”, „Apfel”, „Taube”), haben wir ergründet was passiert, wenn wir diese Begriffe rekontextualisieren, mit Erwartungen spielen und andere Formen der Liebe erschreiben. Dabei haben wir uns von den Konzepten der speculative fabulation bei Donna Haraway und der critical fabulation bei Saidiya Hartmans leiten lassen. Für diese Autorinnen stehen fabulierendes Schreiben und Forschen in keinem Widerspruch, sondern wirken gemeinsam darauf hin, hegemonial festgefahrene Wissensformen zu unterwandern. Herausgekommen sind in unserer kurzen Schreibpraxis surreale, komische und melancholische Texte, die vom Essen, Schwimmen, Kerzenauslöschen, Fliegen, Zugfahren und Blühen erzählen und die Liebe und Begehren aus unerwarteten Perspektiven beschreiben. Drei dieser Texte werden hier vorgestellt.

Ich möchte einen Snack.
Einen Apfel.
Sie bietet mir die Auswahl an.
Es gibt einen großen roten, einen noch größeren gelb-roten.
Ich will den größten.
Sofort reinbeißen, ihn verschlingen.
Nein!
Wir müssen ihn waschen, herrje, okay.
Und jetzt: gib ihn mir, ich will, ich will den Apfel.
Er ist viel zu weit weg von mir, da oben in ihren Händen.
Was macht sie denn jetzt?
Ja, ja, ja, sie holt den Apfelschneider!
Ich will, ich will, ich will alles machen.
„Ich mach das!!“
Sie montiert den Apfelschneider auf dem Tisch.
Ich strecke meine Arme nach ihr aus: Ich will, ich will, ich mach das!
Endlich setzt sie mich auf ihren Schoß.
Ich greife nach dem Gerät, sie wehrt meine Hände ab: Ich mach das! wehre ich mich.
Man muss den Apfel aufspießen, auf drei kleine Spieße, wow, wie viel Kraft sie hat, ich schaffe das nicht.
Aber ich, ich drehe, ich drehe!
Es geht los. Ich drehe an der Kurbel.
Sie wehrt meine Bewegung ab. Ich mach das!
Andersrum! Andersrum drehen!
Puh okay, andersrum.
Ich drehe andersherum. Ich kann es kaum erwarten, ja, ja, ja, der Apfel bewegt sich langsam vorwärts. Richtung Schäler. Jetzt gleich berührt er den Schäler, zack, es geht los: Das scharfe Metall greift seine Haut an, mein Druck gibt ihm die Kraft, sie zu durchschneiden, da passiert es, sofort drängt die Süße hinaus, kristallisiert sich als praller Tropfen zwischen Schäler, Haut und gleitet hinab auf den Tisch. Doch ich widerstehe, ich will mehr! Die Haut, wie sie sich nun wie eine Schlange von dem Apfel löst, ihn entblößt, Umdrehung für Umdrehung entkleidet, nackt macht, sein Fleisch preisgibt.
Ich greife nach der Schlange Haut, reiße sie ab und stopfe sie mir in den Mund.
Ich liiiiiebe Apfel!
Sie freut sich und lacht.
Ich gebe ihr auch ein Stück.
Wir freuen uns zusammen.
Ich drehe weiter, wir wollen an das Fleisch, ich will an das Fleisch. Noch ein Dreh und der Apfel wird nicht nur enthäutet, sondern auch gespalten und zwar in wunderbar dünne, zusammenhängende Ringe. Das Fruchtfleisch wird wie eine Luftschlange geringelt geschnitten.
Es ist soweit, es geht los, das vordere Schälmesser dringt in das Fruchtfleisch ein, hat leichtes Spiel, so prall, so saftig aber auch geschmeidig ist das Fleisch.
Sein Duft erreicht mich, die süße Säure verführt mich weiter. Doch ich halte mich zurück und drehe weiter bis zwei Ringe sich darbieten, greife zu, zupfe sie ab, zwei für mich, ich will nicht teilen. Meine Sinne spielen verrückt. Die Süße verführt mich weiter, ich liebe sie, ich will mehr, ich will Apfel sein, dieses Fleisch, diese Frische, diese Eloquenz und freche Süße, die mir den Verstand raubt. Wie macht er das nur? Aufbrausend, sauer, leicht und geschmeidig, fiebrig greife ich nach dem nächsten Ring. Stopfe ihn rein, und noch einen.
Und ich? Fragt sie.
Redaktionell betreut von Meike Haken und Annabella Backes

 
					
