Wandel der Institutionen

Eine Interview-Reihe zum Theater der Gegenwart, seinen Strukturen, Kämpfen und Visionen

konzipiert und durchgeführt von Karina Rocktäschel und Theresa Schütz

Institutionen sind komplexe Gebilde, die soziales Verhalten regeln, normativ bewerten und relationale Beziehungsweisen des Affizierens und Affiziert-Werdens nachhaltig mitbeeinflussen und regulieren. Ihre Wirkungsweise ist mit gesamtgesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Prozessen aufs Engste verflochten. Deshalb stehen gesellschaftliche Umbrüche und der Ruf nach einem Wandel einzelner Institutionen häufig in engem Zusammenhang. Diese Interview-Reihe möchte sich verschiedenen Institutionen in Gesprächsformaten zuwenden und aktuellen Aushandlungsprozessen des Wandels nachspüren. Im ersten Teil steht die Institution (Stadt-)Theater im Fokus. Verschiedene Akteure aus der Szene geben Einblick in die Spezifik des Arbeitsumfeldes Theater, erläutern, welche Strukturen überwunden werden sollten, welche Themen derzeit hart umkämpft sind und welche Visionen es für ein (Stadt-)Theater der Zukunft gibt.

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Teil 4: Das Kollektiv als Leitungs- und Lebenspraxis

Ein Gespräch mit Mirjam Schmuck und Fabian Lettow vom kainkollektiv zu ihrer Mitwirkung in der Leitung des tak  (Theater Aufbau Kreuzberg) in Berlin, zu Herausforderungen kollektiver Arbeitsstrukturen und der Notwendigkeit, produktives Chaos in bestehende Institutionen zu bringen, um Veränderungen anzustoßen

Theresa Schütz: Ihr leitet seit 2018 gemeinsam mit Lydia Ziemke und suite49, France-Elena Damian sowie Anna Koch und Moritz Pankok das tak. Wie ist es zu dieser Konstellation gekommen? Kanntet ihr euch bereits vorher und habt euch gemeinsam beworben oder wie wurde diese Kollektivleitung initiiert?

Mirjam Schmuck: Tatsächlich ist diese Zusammenstellung eher Zufall. 2018 stand auf der Kippe, ob das tak verkauft und fortan für kommerzielle Zwecke genutzt werden soll. Moritz Pankok hatte das Theater mitaufgebaut und zusammen mit dem Vater von Anna Koch, Matthias Koch, der zugleich der Inhaber des Aufbauhauses ist, eine neue Leitung ausgeschrieben, auf die sich mehrere Gruppen beworben haben. Über Moritz und Anna erging auch eine konkrete Anfrage an uns als kainkollektiv. In einem Treffen ist die Idee entstanden, die Leitung mit mehreren Gruppen zu besetzen. Wir haben das Modell dann ‚kollektiv-kollegiale Leitung‘ genannt. Es gab bei allen einen großen Wunsch, nach neuen Leitungsmodellen im Theater, auch in der freien Szene, zu suchen. Ein weiterer Grund war, dass uns alle internationale Koproduktionen interessieren und wir dazu alle in den letzten zehn Jahren ein enormes Wissen angehäuft haben. Wir als kainkollektiv kooperieren z.B. vor allem mit Künstler:innen aus Westafrika, Polen und Kroatien, Moritz Pankok und Anna Koch setzen sich seit Jahren für die Kunst von Sinti und Roma ein, und Lydia Ziemke kennt sich sehr gut im arabischsprachigen Raum aus. Diese Schnittstellen und Optionen zur Vernetzung in einem Arbeitszusammenhang zusammenzubringen, hat uns überzeugt, uns auf das Experiment einzulassen und die Leitung (mit) zu übernehmen.

Fabian Lettow: Eine Besonderheit der Konstellation besteht auch darin, dass wir als kainkollektiv unsere ‚homebase‘ in Nordrhein-Westfalen haben. Auf diese Weise machen wir mit dem tak auch ein Theater zwischen den Bundesländern und denken auf diese Weise Brücken mit, wie es in Stadttheatern oder festen Häusern sonst eher nicht passiert. Inzwischen ist übrigens Stefanie Aehnelt, die früher den Heimathafen Neukölln als Geschäftsführerin geleitet und auch mitgegründet hat, auch Teil dieser kollektiv-kollegialen Leitung.

TS: Auf der Seite der BerlinBühnen steht, dass es sich beim tak um einen „Modellversuch in der zwischen Stadttheater und Freier Szene geführten Diskussion über die Zukunft der Theaterstrukturen“ handelt. Was bedeutet das genau? Und damit verbunden die Frage: Wie finanziert sich das tak? Gibt es eine Form der Grundsicherung oder hängt ihr von verschiedenen Projektförderungen und Kooperationen ab?

FL: Das tak ist seiner Form nach erst einmal ein Privattheater und zugleich ein Ort der freien Szene. Es ist ein Gastspiel-, Produktions- und Recherche-Ort für freies Arbeiten und freie Produktionen. Es ist nicht nur interessiert, sondern hat auch konkret Anteil an dem, was man zurzeit als eine Art der Hybridisierung der Szenen bezeichnen kann. Wir, die wir dort arbeiten, haben verschiedenste Stadttheater-Erfahrungen gesammelt. Ich war beispielsweise vier Jahre als Dramaturg am Schlosstheater in Moers tätig, einem kleinen Stadttheater in NRW. Als kainkollektiv haben wir am Schauspiel Dortmund und im Schauspielhaus Bochum gearbeitet. Und Lydia Ziemke und suite42 haben z.B. im Rahmen einer Doppelpass-Förderung der Kulturstiftung des Bundes mit dem Schauspielhaus in Hamburg zusammengearbeitet. Es gibt bei uns – was in der freien Szene nicht unbedingt selbstverständlich ist – also eine große Offenheit gegenüber Kooperationen und Hybridisierungsprozessen zwischen freier Szene und Stadttheater. Uns interessiert, wie man beides in einer Art zukünftigem Modell von hybridem Stadttheater zusammendenken könnte. Es soll ein Theater der freien Szene sein – mit dem Anspruch, sich sowohl vor Ort lokal als auch in der ganzen Stadttheater-Öffnungsfrage national sowie über Kooperationen international aufzustellen.

Das tak selbst ist allerdings kein Stadttheater in dem Sinne, als dass es in irgendeiner Weise von der Stadt oder dem Land Berlin finanziell getragen würde. Im Moment ist es im Gegenteil eher so, dass wir um Fördermöglichkeiten ringen und kämpfen müssen. Es ist in Berlin nicht leicht, wahrgenommen und gefördert zu werden, und aufzusteigen in die Riege derer, die quasi als unentbehrlich für die Berliner Theaterszene gelten. Als Privattheater existieren wir zuvorderst durch Vermietungen. Wir vermieten die Räume des tak für Veranstaltungen, über die wir uns allerdings auch sehr genau verständigen, weil wir das nicht indifferent machen wollen.

MS: Die Arbeit, die wir seit drei Jahren machen, ist eine ehrenamtliche. Fabian und ich finanzieren uns komplett durch das kainkollektiv, nicht durch das tak. Wir arbeiten auch gerade an einer Öffnungsstrategie. Wir würden die Leitung gerne erweitern; es muss nicht so bleiben, wie es ist. Es kann noch multipliziert werden, allerdings ist das gar nicht so einfach.

FL: Das tak ist eben auch eine Art Modellversuch, der nicht einfach nach den Prinzipien des Marktes funktioniert. Es fällt uns auch schwer, uns wie andere Häuser in der Stadt ein spezifisches Label aufzulegen und dann entsprechend zu bewerben. Wir wollen nicht sagen, wir sind jetzt (z.B.) der neue Ort für postmigrantische Wirklichkeiten, was immer das eigentlich genau meinen soll. Wir suchen eher nach einer Form, wie man Offenheit und die Idee einer tatsächlichen Einladung, die uns für das Programm wichtig ist, kommunizieren kann, ohne dass sie gleich zu dem einen Branding wird. Und das braucht Zeit. Es gibt so viele Leute, die gerade erst anfangen, die zum Beispiel neu in Berlin und auf der Suche sind. Künstler:innen, die noch nicht ihre Handschrift haben, die noch auf der Suche sind. Sie finden bei uns einen Ort für diese Laborsituationen, in denen tatsächlich neue Allianzen entstehen können, die nicht schon kuratiert sind, sondern die Chance bekommen zu entstehen.

TS: Und wie kann ich mir die Arbeit Eurer kollektiv-kollegialen Leitung ganz praktisch vorstellen? Wie organisiert ihr Euch? Habt ihr untereinander Kompetenz- und/oder Verantwortungsbereiche aufgeteilt? Wie wählt ihr das Programm aus und wie trefft ihr Eure Entscheidungen?

MS: Wir haben uns drauf geeinigt, dass nicht alle alles entscheiden. Es läuft also nicht basisdemokratisch ab. Für uns war klar, dass wir lieber mit Verantwortungs- und Kompetenzbereichen, die man sich auch selbst wählen kann, arbeiten wollen. Das ist für uns Produzent:innen und Künstler:innen auch deshalb wichtig, weil wir so die Chance haben, wenn wir selbst in Produktionen stecken, uns auch mal ein Stück weit rauszuziehen. Wir haben uns zu Beginn sehr viel beraten lassen, u.a. von Roger Christmann, der Geschäftsführer bei Theater der Welt war. Das Modell der kollektiv-kollegialen Leitung sieht eine Organisation in Kreisen vor, d.h. wir gehen davon aus, dass jede:r, die/der in einem Kreis arbeitet, also Presse und Öffentlichkeitsarbeit, Vorderhaus, Technik, Vermietung, Reinigung, dann für diesen Kreis auch die volle Verantwortung trägt. Das sorgt für eine gewisse Enthierarchisierung. Es gibt Kreise, die ganz toll funktionieren und andere, wo es noch etwas hapert. Jede Woche trifft sich das Leitungsteam mit allen beteiligten Künstler:innen zu einem verbindlichen Jour Fixe. Es gibt immer eine Person, die zeitweise verantwortlich dafür ist, die Anfragen vorzusortieren, wer bei uns spielen darf und wer nicht. Und diese Anfragen diskutieren wir dann gemeinsam.

FL: Im klassischen Intendantenmodell gibt es ja meist eine Art ‚Leitwolf‘, der eine ästhetische Linie oder Vision mitbringt und bestimmte Regisseur:innen und künstlerische Handschriften ans Haus holt. Bei uns geht es im Moment vor allem erstmal um Arbeitsweisen, um andere Formen des Umgangs miteinander und um Themen, weniger um ästhetische Präferenzen. Und wenn man das so pluralisiert, man also Menschen einlädt, die an ihren eigenen Fragen arbeiten, rückt etwas in den Hintergrund, was vielleicht erst einmal ungewöhnlich ist: nämlich die Frage, ob wir das jetzt auf unserer Bühne sehen wollen oder ob wir die Ästhetik vertreten. Im Moment vertreten wir eher Personen und ihre Themen und Zusammenhänge. So entsteht eine Heterogenität von Handschriften. Wir nennen das gerade provisorisch ein Künstlerhaus der Vielen – auch in Analogie zum Verein der Vielen. Wir laden sehr verschiedene Perspektiven ein und verstehen uns mehr als eine Art Labor für die Suche danach, wie Kunst und Ästhetik drängende lokale, nationale, internationale, transnationale oder translokale Fragen der Gegenwart bearbeiten können. Das ist eine große Suchbewegung.

TS: Beim Durchsehen des tak-Programmarchivs stieß ich auf wiederkehrende Namen und Gruppen, mit denen ihr als eigenständige Performance-Kollektive auch öfter kooperiert. Ich habe mich gefragt, ob Eure Weisen der Programmgestaltung und Kooperationsfindung nicht auch dem ähneln, was Felizitias Stilleke 2020 „Freundschaft als kuratorisches Prinzip“ bezeichnet hat.

FL: Ja, das kann man nicht von der Hand weisen. Wir kennen Felizitas gut, haben auch schon mit ihr zusammengearbeitet. Wenn man davon ausgeht, dass die Fragen, Themen und Geschichten, die wir im Theater bearbeiten, eine gewisse Wucht haben, dann ist es manchmal besser, das in vertrauten Konstellationen zu behandeln. Das bedeutet allerdings nicht, dass es nicht auch viele Differenzen, viel Streiten und Ringen um gemeinsame Positionen gibt. Freunde zu kuratieren, kann schnell als eine Art Vetternwirtschaft missverstanden werden. Zu Freundschaft – das wissen wir alle – gehört Streit, gehört Konflikt, gehört es auch, unterschiedlicher Meinung zu sein. Deswegen ist es ja freundschaftlich, weil man das aushalten kann. Man kann unser kollektiv-kollegiales Prinzip also durchaus als freundschaftliches Prinzip bezeichnen, ja. Ich würde nur ergänzen, dass idealerweise auch alle diejenigen Freunde gemeint sind, die wir noch gar nicht kennen: die (noch) fremden, potenziellen Freunde, die mit uns im gleichen Geist arbeiten. Ich glaube, es ist auch Teil eines neuen Diskurses, im Theater zu versuchen, Empowerment-Räume und Safe Spaces einzurichten, in denen bestimmte Leute überhaupt zum ersten Mal sich trauen können, ihre Erfahrung mitzuteilen. Das tak soll ein solcher Ort sein.

TS: Neben der Jugendtheatergruppe junges tak habt ihr als kollektiv-kollegiale Leitung mit der takADEMIE auch ein neues Schnittstellen- und Netzwerk-Format (zum Thema Togetherness in Zeiten des Anthropozäns) ins Leben gerufen, das im Rahmen von künstlerischen Arbeitslaboren abgehalten werden wird.

FL: Die takADEMIE ist auf Initiative von Stefanie Aehnelt und ihrem ästhetisch-politischen Forschungsinteresse als Theatermacherin und Umweltaktivistin entstanden. Wir sind alle sehr glücklich, dass sie ein Format erfunden hat, bei dem ganz unterschiedliche Leute aufeinandertreffen werden: Akademiker:innen, Nachbarn, Umweltexpert:innen, Aktivist:innen und Künstler:innen. Und das wäre quasi das Ideal, wenn das Haus als Großes perspektivisch so funktionieren würde. Da sind wir wieder nah dran an unserem Traum eines Hauses der Vielen.

TS: Wenn man so will, bewegt ihr beide euch ja gewissermaßen parallel in drei verschiedenen Institutionen: als freies Kollektiv (kainkollektiv), das sich über mehr als ein Jahrzehnt gewissermaßen institutionalisiert hat, als Leitungskollektiv einer Modellform von Theaterinstitution und über Studium und Dozentur auch in der Universität, insbesondere in der Lehre szenischer Forschung. Könntet ihr sagen, inwiefern sich diese drei Institutionen unterschiedlich anfühlen?  

MS: Ich glaube, dass man eine Leidenschaft haben muss, um sich in die Universität hineinzubegeben. Ich habe viele Freund:innen, die das tun. Ich war dafür hingegen nie sonderlich prädestiniert. Ich habe es in den Institutionen immer nicht lange ausgehalten, auch in den Stadttheatern nicht. Es gab immer Konflikte, weil es viel einfacher formulierte Macht- und Hierarchiepositionen gab und ich darin oft in Streit geriet. Das kainkollektiv ist, was die Förderstrukturen anbelangt, streng genommen keine Institution. Wir bekommen eine Struktur- oder eine Konzeptionsförderung vom Land und eben keine institutionelle Förderung. Und ich glaube, dass ich da auch drauf beharren würde, das so zu nennen, auch wenn man natürlich sagen kann, das kainkollektiv sei fast wie eine Institution. Der Unterschied besteht darin, dass wir fünf Jahre an einem Konzept arbeiten, es entwickeln, anpassen und auch umwerfen können, dass wir in einer Weise flexibel sind, wie es in einer Institution (wie dem Stadttheater) eben nicht ginge. Ich glaube, dass es Zeit ist, Institutionen radikal neu zu befragen, seien es Krankenhäuser, Universitäten oder Schulen. Ich bin deshalb sehr froh, dass wir uns diese Aufgaben des Neu-Erfindens, Anpassens, Umstrukturierens viel öfter neu stellen müssen, anstatt sie immer wieder zu manifestieren. Und mit dieser Lebenspraxis, die wir mitbringen, wenn wir z.B. ans Stadttheater oder an die Universität kommen, sorgen wir auch irgendwie immer für Chaos. Denn es ist ja eben nicht so, dass wir uns da eingliedern, sondern es ist stets mit Konflikten verbunden, entweder, weil wirdas nicht anders können oder weil die Institutionen das nicht aushalten können.

FL: Ich hatte ein theaterwissenschaftliches Promotionsprojekt in Bochum begonnen, das ich nicht zu Ende gebracht habe. Ich habe zehn Jahre meines Lebens sehr intensiv in der, für die und mit der Universität gelebt. Ich habe dort auch Diskriminierungserfahrungen und richtig harte Machtmomente erleben müssen, die am Ende dazu geführt haben, ihr den Rücken zuzukehren. Die Universität ist als Institution ein Ort, an dem die Frage der Wahrheit verhandelt wird und die Frage der Wahrheit – das wissen wir nicht erst seit Foucault – ist geknüpft an die Frage der Macht. Und ich finde immer noch, dass die Universität noch sehr stark von Meister-Schüler-Verhältnissen und sehr starken Hierarchisierungen geprägt ist. Und das sieht man jetzt im Stadttheaterbetrieb eben auch: Diese starken Hierarchien, die dazu führen, dass Angst herrscht, dass Leute sich unwohl fühlen und denken, sie seien nicht gut, nicht wichtig, nicht klug genug, um sich zu äußern. Die andere Seite ist, dass ich diese Räume auch immer extrem verteidigt habe und wichtig finde, weil sie eben auch produktiv sind. Ihre Macht ist produktiv, insofern sie auch Orte des Denkens, des Miteinander-Aushandelns überhaupt erst institutionalisieren. Es gibt keine Gesellschaft ohne Institutionen. Man kann nicht so tun, als könne man Institutionen einfach auflösen und dann wäre es besser. Wenn die Institution des Rechtes an die Stelle tritt, wo zuvor quasi rohe Gewalt herrschte und man als demokratisch verfasstes System jemandem, anstatt ihm direkt ins Gesicht zu schlagen, für ein Verbrechen, das er begangen hat, vor Gericht bringen kann, dann hat das eine produktive, sogar pazifizierende Funktion. Deswegen finde ich interessant, sich an Institutionen zu reiben. Und ich glaube, da hat Mirjam recht, das tun wir beide sehr stark. Als kainkollektiv fordern wir mit Leidenschaft institutionelle Grenzen heraus, indem wir etwas reinbringen, das überfordernd wirkt. Ich glaube, Institutionen lösen sehr stark Affekte und Gefühlslagen aus. Ich kann das auch für meine Arbeit als Dramaturg am Stadttheater sagen. Ich habe das sehr geliebt, würde auch immer verteidigen, wie wichtig es ist, in einer Stadt einen Ort anzubieten, der mit einem bestehenden, festen Ensemble Kontinuität herstellt. Aber mir persönlich war das zu limitiert. Deswegen ist das kainkollektiv quasi eine Institution auf der Flucht, wenn man so will. Wir versuchen immer wieder, eine gewisse Stabilität und Kontinuität in den Arbeitsverhältnissen herzustellen, weil wir wissen, dass das wichtig ist. Aber wir hintertreiben das auch beständig, indem wir uns immer wieder selbst in alle Winde zerschlagen, in den nächsten Kontext, ins nächste Land. Das ist als Lebenspraxis nicht immer unanstrengend und auf jeden Fall chaotisch, aber auch sehr lustvoll, leidenschaftlich und manchmal auch sehr lustig.