In Deutschland werden dieser Tage öffentliche und private Veranstaltungen abgesagt, Institutionen, Clubs, Bars und andere Stätten sozialer Zusammenkunft geschlossen, um die Verbreitung des CoV-2-Virus zu verlangsamen. Den Anfang machte Klaus Lederer in Berlin mit der Schließung aller größeren Theater- und Opernhäuser. Gleich am nächsten Tag erfolgte der Aufschrei der Berliner Amtsärzte, dass auch kleinere Veranstaltungen abgesagt gehören. Noch sind Restaurants zur Lebensmittelversorgung von den Regelungen ausgeschlossen. Und so nehmen die Dinge ihren Lauf, und auch der Rest der Republik ringt sich nach anfänglichem Zögern föderalismuskonform nach und nach zu Absagen durch.
Für Linke verändert sich das Nachdenken über die Realität der Pandemie gerade stündlich. Insbesondere seit Grenzschließungen zu ihren Konsequenzen zählen, lösen diese Maßnahmen gut bekannte Reflexe gegen den Ausnahmezustand aus. Der Moment, in dem der Staat das öffentliche Leben in massiver Weise begrenzt oder gar – wie nicht nur in Italien und Spanien – Grundrechte einschränkt, ist ein Alarmsignal für die kritische Öffentlichkeit, da erfahrungsgemäß genau diese Instrumente nur der Beginn für ungehinderte und durch die besondere Situation automatisch legitimierte Machtausübung sind. Sobald Menschen nicht mehr zusammenkommen können, um über ihre Wirklichkeit nachzudenken, indem sie sich z.B. Kunst ansehen, öffentlich diskutieren oder anders Reflexion üben, ist diese Wirklichkeit in Gefahr. Ihr Korrektiv fehlt. Diese Formen der Öffentlichkeit mit dem Hinweis auf ihre (vorübergehende) Verzichtbarkeit im Angesicht der Gefahr für das Leben auszusetzen, springt sehr rasch darüber hinweg, dass Öffentlichkeit zum Leben nicht nur irgendwie dazugehört, sondern in der Tat lebens-wichtig ist. In Frankfurt wurde die Großdemonstration gegen Rassismus mit 10.000 erwarteten Teilnehmer_innen anlässlich des Anschlags in Hanau abgesagt. Das bedeutet, dass die Sichtbarkeit von Solidarität und gesellschaftlicher Wärme, die vielleicht gerade jetzt solidarische Maßnahmen überzeugender erschienen ließe, sich nicht erhöht, sondern mit allen anderen positiven Zeichen geteilter Wirklichkeit erliegt. Wenn darüber hinaus die Bewegungsfreiheit, wie in Italien nun schon vor einigen Tagen zu beobachten war, innerhalb von wenigen Stunden sehr effizient eingeschränkt werden kann, und diese Einschränkung durch das Militär kontrolliert wird, dann präsentiert sich staatliche Macht nicht länger als verhandelbare Instanz, sondern als Entscheidungsträgerin und biopolitische Totalität.
Es gibt aber auch eine andere Perspektive, die den frontalkritischen Impulsen gegen den Ausnahmezustand von linker Seite etwas entgegenhält. Die massiven Einschränkungen individueller Freiheit können auch als Zeichen von Solidarität und gesellschaftlichem Zusammenwirken erfolgen und können im Zuge ihrer Freiwilligkeit sehr viel weniger bedrohlich gedeutet werden. Das ist in Deutschland gerade noch der Fall. Wenn alle freiwillig zuhause bleiben und ihre sozialen Kontakte reduzieren, würde laut der aktuellen medizinischen fachlichen Einschätzung das Verbreitungsrisiko deutlich gesenkt und damit vor allem den schwächeren Teilen der Gesellschaft ein Dienst erwiesen werden. Die amerikanische Schriftstellerin Anne Boyer schreibt in diesem Sinn von distancing als Solidarität („The way social distancing works requires faith: we must begin to see the negative space as clearly as the positive, to know what we don’t do is also brilliant and full of love.”, https://mirabilary.substack.com). Um solche Kompromisse freiwillig einzugehen, muss die staatliche Agenda affirmiert und ihre Richtigkeit anerkannt werden, obgleich sie aus dem Ausnahmezustand geboren wurde, der als Regierungsmaßnahme grundsätzlich Gefahren birgt und abzulehnen ist.
Es gibt nun verschiedene politische Gründe für und gegen die Anpassung an und Affirmation von Jens Spahns Handlungsempfehlungen. Dagegen spricht, dass die Absage öffentlicher Veranstaltungen einer Gesellschaft nicht wohl bekommt und irgendeine Form öffentlichen Lebens beibehalten werden sollte, um ein demokratisches Staatswesen überhaupt glaubhaft aufrechtzuerhalten, wie Jakob Augstein am 13. März auf twitter sehr deutlich einwendet (https://twitter.com/Augstein/status/1238417253265276930). Umgekehrt aber ist der Schutz alter, eingeschränkter und kranker Menschen mit wenig ökonomischen und immunitären Abwehrkräften selbst eines der obersten Prinzipien linker Politik: Alle müssen gleich geschützt werden, unabhängig von ihrer Produktivkraft – und die Schwachen umso mehr. Um das zu leisten, müssen die Betroffenen darin unterstützt werden, Kontakte von sich aus vermeiden zu können. Gleichzeitig müssen die Infektionsherde so gut es eben geht klein gehalten werden, um eine Gefährdung zu minimieren – auch durch uns, die eine Infektion nicht stark treffen würde. Drittens gibt es auch einen ökonomischen Faktor der Aufkündigung öffentlichen Lebens, der vor allem freiberufliche Kulturschaffende inklusive der Veranstaltungstechnik trifft (https://www.hessenschau.de/panorama/corona-in-hessen–73-infizierte–klose-keine-grossveranstaltungen-bis-10-april–luminale-abgesagt-,corona-hessen-ticker-100.html, 12. März 20, 13:37), die ebenfalls zum ökonomisch vulnerablen Teil der Gesellschaft gehören. Wenn große Festivals und lang geplante Veranstaltungsreihen nicht mehr stattfinden können, bedeutet das teilweise existenzbedrohende Gehaltseinbußen, für die es in der Freiberuflichkeit keine Verantwortungsträger gibt. Die Künstlersozialkasse haftet nicht für höhere Gewalt, und die Veranstalter müssen selbst mit den Folgen des Ausfalls umgehen und haben keine Mittel übrig, um Honorare auszuzahlen. Die Berliner Kulturpolitik benennt dieses Problem bereits jetzt, doch sind die sehr zerstreuten Arbeits- und Organisationsformen ein Faktor, der die gerechte Verteilung von finanziellen Hilfen für Künstler_innen durch die Politik schwierig gestalten wird. Es müsste hierfür sehr bald ein relativ unbürokratisches Verfahren gefunden werden, das die verschiedenen finanziellen und institutionellen Wirklichkeiten künstlerischer Arbeit mit Vertrauen entgegennimmt, statt allzu vehement Rechtfertigung für finanzielle Einbußen einzufordern.
Diese drei Punkte, die Einschränkung von Versammlungsrechten, der Schutz der Schwachen und die finanzielle Prekarität Kulturschaffender (und selbstverständlich zunehmend vieler anderer Branchen: Einzelhandel, Gastronomie, Sexarbeit) macht eine eindeutige, von traditionellen linken Werten informierte Positionierung in dieser Krise äußerst schwierig. Zum einen wird Solidarität selbst einem Stresstest unterzogen, weil hier wie so oft Werte gegeneinanderstehen, und die Krise die Schwachen in arm und reich, robust und geschwächt zerteilt und gegeneinander formiert. Zum anderen aber betrifft diese Krise mit der Beschränkung von Öffentlichkeit die gängigen Handlungs- oder Artikulationsformen linker Kritik selbst. Vielleicht muss daher die Struktur genau dieser Krise noch etwas genauer beschrieben und verstanden werden, um als Öffentlichkeit richtig, das heißt hilfreich und dem Leben zugewandt, reagieren zu können.
Eine Pandemie ist die weltweite Ausbreitung einer Infektionskrankheit. In unserem Fall gibt es noch keine Methode, noch nicht mal eine Aussicht auf ihr Abebben, da es gegen Covid-19 keinen Impfstoff gibt und die Entwicklung eines solchen langwierig ist. Die klassischen Stellungnahmen für und gegen staatliches Handeln und die begründeten Zweifel an der ungeprüften Ausübung seiner Souveränität bieten ebenfalls wenig politische Orientierung, da die bisher erlassenen Verbote in beinahe allen stark betroffenen Ländern vorgenommen wurden und es so einen Vergleich gibt, an dem sich ihre Angemessenheit ablesen lässt. Die Gestaltung des veränderten öffentlichen Lebens steht bisher allen selbst offen. Ohne nun anderen, liberalen Reflexen folgend die Situation gleich in eine „Chance“ verwandeln zu wollen, ist es doch möglich, dass diejenigen, deren Lebensrhythmen sich gerade durch die umfassenden Streichungen im Terminkalender deutlich entspannt haben, sich über das Geschehen Gedanken machen und sie auch mitteilen. Deutschland macht Urlaub zuhause – ein Twitter-Feed.
Denn was bedeutet die Aufforderung zur Stilllegung? Der italienische Ministerpräsident formulierte es so: Io resto a casa: Ich bleibe zuhause. Die vermeintliche Harmlosigkeit dieser Ankündigung und die joviale Betulichkeit, die sich in der Vorstellung vom unfreiwilligen Hausarrest mitartikuliert, trügt. Denn es ist im Grunde ziemlich naiv, reduktiv – und im Übrigen auch antifeministisch –, das Zuhausebleiben wenn auch im Scherz vorschnell mit dem Niedergang der Gesellschaft in Verbindung zu bringen. Zunächst liegt darin lediglich die Aufkündigung einer im Grunde recht bürgerlichen Vorstellung von Gemeinschaft, die sich ganz auf das Zusammentreffen im öffentlichen Raum mit seinen Regeln und Codes für metaphorische und tatsächliche Berührungen beschränkt. Das Zuhause war dahingegen schon immer der Raum weiblicher Gemeinschaft und der von Kindern, Kranken und Alten. Er lässt sich – auch wenn wir es uns in Mitteleuropa etwas abgewöhnt haben – nach wie vor als solcher reaktivieren. Was kann Zuhause getan werden?
Zunächst einmal muss, um Zuhause zu sein, ein Zuhause geschaffen werden. Dem Domizilen muss eine Aufwertung widerfahren, damit wir alle – institutionsgläubige Tiere, die wir sind – es dort überhaupt aushalten. Wenn Solidarität als Distanznahme ernst gemeint ist, dann sollte sie durch den Verbleib in den Wohnungen umgesetzt werden, ohne dass dabei Stille herrschen oder Denken aufhören muss. Das Zuhause könnte doch gerade jetzt für all diejenigen – Denkenden –, die momentan von einem Haufen universitärer Verpflichtungen befreit wurden, die Verpflichtung des Denkens selbst beheimaten. Von dort könnten und sollten sie aus der sicheren Quarantäne heraus unermüdlich das benennen, was an der Sprache und der Handlungen der Befugten unheimlich erscheint. Dasselbe gilt für Kulturschaffende und politisch Aktive. Für ein paar Wochen auf die Institutionen als selbstverständlich gewordene Aufenthalts- und Diskussionsräume zu verzichten, verlagert die Gedanken und die Aufmerksamkeit in andere Regionen. Das Zuhause zu etwas zu bauen, was dem diskursiven Anspruch in dieser Zeit genügen kann, ihn geradezu bedienen und fördern wird, ist im Prinzip eine leichte Aufgabe, wenn das scheinbar Private als ebenso Geteiltes betrachtet wird wie das scheinbar immer schon geteilte Öffentliche. Wir sollten uns befähigen, das widerständige Moment im Denken zu erhalten, auch wenn die klassischen Institutionstüren, hinter denen es sich für gewöhnlich abspielt, geschlossen bleiben. So offen, wie wir geglaubt haben, waren diese Türen ohnehin nie. Vielleicht ist auch die Zeit gekommen, sich den sozialen Medien, die häufig genug für sich reklamiert haben, Solidarität und Entfernung miteinander zu versöhnen, im Moment ihres Abgesangs noch einmal anders zu nähern. Was jetzt geschehen könnte heißt: Denken zuhause. Dieser Ausdruck ist nicht als Alternative oder Ersatz der Bühne der Öffentlichkeit zu verstehen, sondern als Veränderung der Blickrichtung. Es besteht zumindest die Möglichkeit, dass in einer Zeit, in der wir sowieso zuhause bleiben müssen, dort auch Gedanken entstehen. Möglicherweise erlangen sie hier andere Formen und Inhalte als im beruflichen Alltag, in dem sie schon zu oft geäußert wurden.
Das Problem ist im Grunde so alt ist wie die Aufklärung selbst: Den Vernunftgebrauch in staatlichen Institutionen oder öffentlichen Funktionen hielt Kant in seiner Schrift ‚Was ist Aufklärung‘ für prinzipiell einschränkbar. Er nannte ihn, vermutlich wegen dieser Einschränkungen, ‚privat‘, meinte damit aber nicht das Häuslich-Private im heutigen Sinne. Dem setzte er den öffentlichen und freien Vernunftgebrauch entgegen. Wie stark dieser öffentliche und freie Gebrauch der Vernunft in Wahrheit von Institutionen abhängt – und schon damals abhing – und daher indirekt mit denselben Mitteln einzuschränken ist wie der privat-funktionalistische, könnte man gerade jetzt eindrücklich lernen. Dass Kant sich umgekehrt unter Privatheit nur ein Denken in Amtsstuben vorstellen konnte, das politisch regulierbar ist, könnte einen dazu reizen, nun umgekehrt über eine Form des Privaten nachzudenken, das wirklich, wie es oft gefordert wird, anfängt, politisch zu werden, statt es nur durch das Label des Politischen zu behaupten. Für diesen Zweck findet man bereits eine Reihe an Vorschlägen, was „zuhause denken“ meinen kann. Sie alle nehmen ihren Ausgang in einem Denken des Zuhauses selbst: Es ist Feministinnen nicht erst bei Kollektivquarantäne aufgefallen, was alles entsteht, wenn der Mensch sich allein, in der Familie oder vor anderen Nächsten im vertrauten Umfeld äußern kann. Die Literaturwissenschaftlerin bell hooks bezeichnet genau das als Freiheit: Wo das öffentliche Leben in den USA versklavte Afroamerikaner_innen gezielt ausschloss und die Straße für sie mit anderen Gefahren verbunden war als für Weiße, wurde Freiheit dementsprechend zur häuslichen Kategorie, die vor dem sogenannten zivilen Leben und dem Zugriff der Behörden geschützt war (siehe: bell hooks: revolutionary parenting; Homeplace (A Site of Resistance)).
Natürlich liegt in einer Genealogie der Beziehung zwischen Freiheit und Öffentlichkeit aus afroamerikanischer Perspektive noch keine Handlungsanweisung für eine Neuerfindung des weißen Europas in Zeiten von Corona. Nur eben ein Hinweis, dass das Denken zuhause keine Neuerfindung ist, die erst durch die Existenz des Internets und eine globale Krise im 21. Jahrhundert ihre Entstehungsbedingungen findet. Auch Virginia Woolf hat sich für das Denken zuhause im Prinzip mehr interessiert als für das Denken irgendwo anders. A room of one‘s own ist die Forderung nach einem Rückzugsort, der in jeder Hinsicht Ungestörtheit bietet: Der Umstand, von familiären Aufgaben freigesprochen und von öffentlichen Repräsentationen unbelastet zu sein, hat Virginia Woolf äußerst genau über die Niederschläge des Gesellschaftlichen in zwischenmenschlichen Beziehungen nachdenken lassen. Das Zuhause bietet ein übersehenes, weil vermeintlich natürliches Beobachtungsfeld, welches die sozialen Verformungen menschlichen Umgangs erst deutlich zum Vorschein treten lässt. Die Geschichten, die Woolf anhand der unbemerkten Gesten zwischen Ehepartnern im häuslichen Kontext zu erzählen vermag, offenbaren eine Wahrheit über die Gesellschaft, in der diese Gesten zu Strukturen werden. Das Häusliche nicht nur als Konsequenz von öffentlichen Prozessen zu verstehen, sondern es in seiner eigenen Sozialität ernstzunehmen, ist eine Perspektive, die sich für die Quarantäne anbietet. Auch und gerade weil diese häusliche Sozialität heute so häufig die Form von Einsamkeit annimmt.
Warum eigentlich? Warum sollte oder muss das Zuhause eine Fessel sein? Und warum sollen wir das öffentliche Leben überhaupt vermissen, wenn in dem sogenannten Häuslichen noch so viel ungedacht und unverstanden ist? Denn die Einsamkeit, Langeweile und Isolation, die uns, wenn man ehrlich ist, vielleicht häufiger ins öffentliche, kulturelle und politische Leben treiben als die dort verhandelten kritischen Inhalte oder angebotenen Formate, werden von diesen Institutionen zwar bedient, als Probleme aber auch nicht wirklich gelöst. Die Herausforderung besteht darum eben nicht in einer Aufrechterhaltung des Öffentlichen (z.B. im Virtuellen) koste es, was es wolle, sondern in einer adäquaten Teilhabe am Privaten und seinen Vorzügen und Diskursen. Statt Seminare auf Skype nachzuahmen, ließe sich doch eher der Raum, der uns umgibt selber zum Seminarraum des Sozialen umfunktionieren. Ob durch eine praktische Soziologie oder eine Reflektion über das Wesen der Freiheit in diesen Wochen. Die Frage, was wir am öffentlichen Leben vermissen und vielleicht erschreckender noch die Erkenntnis, was wir auch nach Tagen des Entzugs nicht daran vermissen, ist schließlich nicht trivial. Es wäre gut, wenn das Ergebnis dieser Überlegung zu ein paar weniger Transatlantikflügen und auch weniger Konsumfreude führen würde. Oder zu Überlegungen, ob Formen des bedingungslosen Grundeinkommens nicht nur neoliberale Vorzüge von noch mehr Zeit für unbezahltes Ehrenamt und Selbstverwirklichung bergen, sondern auch ein unerwartetes Potenzial als hartes Kriseninstrument in Zeiten, in denen sich der Markt offensichtlich immer anfälliger für nie dagewesene globale Krisen und Katastrophen zeigt, die einen zwingen, Zuhause zu bleiben und nicht zur Arbeit zu gehen. Nicht zuletzt aber müsste das Zuhausebleiben uns dazu veranlassen, noch einmal dringlicher und entschlossener die Grundrechte derjenigen einzufordern, die ihr Zuhause verloren haben oder verlassen mussten, und deren „Sicherheitsverwahrung“ in Lagern gerade jetzt ihre Sicherheit aufs Schärfste gefährdet. Die Gefängnisaufstände in Italien und die Lager auf Lesbos bieten dafür Anlass genug. Das ›Zuhause‹ und sein Verlust haben eine sozial- und geopolitische Dimension, die erst einmal quersteht zum Begriff der Heimat.
Die linke Positionierung zu dieser Krise kann diesmal nicht durch den Baukasten der Kritik an struktureller Unterdrückung verlaufen, die uns dann ihrerseits den altbewährten Platz für Protest zuweist. Unser Platz ist jetzt gerade zuhause. Dort müssen wir jede_r selbst entscheiden, wann das Geschirr abgewaschen wird, wieviel Straßenluft hineinziehen darf, wer in unserem etwas unmittelbareren Umfeld auf unsere Hilfe angewiesen ist und wann sich trotz allem ein Gefühl von Freiheit einstellt.
Der Text ist am 18. März 2020 erstmals auf „zuhause-denken.com“ erschienen.