Minimaler Präsenzbetrieb, Notbetrieb, Präsenznotbetrieb – Gedanken aus und zu der Verwaltung in der Institution Universität

In einer E-Mail an alle Kolleginnen und Kollegen informierte heute (25.03.2020) die Kanzlerin der Freien Universität Berlin über den minimalen Präsenznotbetrieb an unserer Einrichtung. Es ist eine weitere Anweisung unter vielen Stellungnahmen in den letzten Tagen, zumindest gefühlt kommen sie von allen Seiten. Ich stolpere beim Lesen über das Wort „Präsenznotbetrieb“, wittere Eskalation im Vergleich zu „minimaler Präsenzbetrieb“, während ich mich frage, ob nicht „Präsenznot“ ein passenderes Wort sein könnte? Ich fange an, inhaltlich ähnliche Nachrichten aus meinem digitalen Postfach zu holen – ich habe mittlerweile einen eigenen Ordner dafür angelegt – und stelle fest, dass die Verwendung der Begriffe, „minimaler Präsenzbetrieb“ (verwendet vom Präsidenten und den Kernverwaltungen), „Notbetrieb“ (verwendet von der Kernverwaltung) und „Präsenznotbetrieb“ (verwendet von der Kanzlerin und dem Gesamtpersonalrat) etwa gleich verteilt ist und sich zeitlich gemäß des Posteingangs keine Eskalationssteigerung ableiten lässt.

Und was ist mit der „Präsenznot“? Über die verschiedenen Verteiler innerhalb der Verwaltung rollen die Informationswellen. Bestimmte, in der Retrospektive sehr verschiedene, Stichtage markieren wie Leuchttürme bestimmte Verhaltensabschnitte, bevor das Riff der „ungesicherten Präsenz“ erreicht wird. Es wird Kollegialität beschworen ebenso wie Kreativität. Die Angst vorm Digitalen geht um. Während in anderen Bereichen der Forschungseinrichtung digitale Handlungsweisen bereits teilweise zum Arbeitsalltag dazu gehören bzw. zumindest nicht völlig absurd erscheinen, so ist die Umstellung auf den digitalen Verwaltungsbetrieb von jeher schwerfällig und stellt eben derzeit keinen rettenden Anker dar. Die Gründe sind vielfältig und, man ahnt es, auch irgendwie komplex:

Da wäre die Infrastruktur, die teilweise träge und sperrig ist, weil alle Einrichtungsangehörigen mit sehr unterschiedlichen Anforderungen und Bedürfnissen mitgenommen werden müssen, weil digitale Sicherheit in der Anwendung manchmal auch behindern kann, auch weil die parallele Nutzung sehr verschiedener Systeme eine Form von Multitasking mit Grenzen des Erfassbaren ist. Da wären die einzelnen Mitarbeiter*innen, die nicht alle sogenannte „Digital Natives“ sind – manche vielleicht sogar genau das Gegenteil. Da wären die inhaltlichen Erfordernisse wie Präsenzpflicht bei Vertragsabschlüssen, Repräsentationsmechanismen vor Ort bei Verhandlungen und Beschlussfassungen, Präsenzabläufe, die innerhalb der Kollegenschaft bestärken. Und da wäre die Verwaltungsbelegschaft als Gesamtheit, quasi eine Gesellschaft von Anwesenden, bei der ganze Kommunikationsformen wie der ‚Flurfunk‘ auf Präsenz beruhen. Sicherlich trifft dieses Merkmal unbedingt auch auf Berufsgruppen innerhalb wie außerhalb der Universität zu, dennoch soll es erwähnt werden, weil Verwaltungsprozesse ganz entscheidend auch über informelle Präsenzkanäle gestaltet werden. Wer präsent ist, kann überhaupt erst Anteil nehmen. Oder anders formuliert: es ist die Präsenz des Verwaltungspersonals, die diesem selbst und damit auch der Verwaltung insgesamt Stabilität und Sinn gibt.

Natürlich ist die jetzt angewiesene erlaubte Abwesenheit vom Arbeitsplatz und das Arbeiten zu Hause eine Notsituation. Ganze Arbeitsablaufketten sind unterbrochen, die Prozesse stocken, und Kommunikation ist mühsam. Manche Dinge sind jetzt plötzlich zulässig, die vorher unmöglich schienen, aber es kann doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich lediglich um Zugeständnisse handelt, weil sonst schlicht gar nichts ginge. Die „Präsenznot“ ist tatsächlich groß, trotzdem wird das Verwaltungsschiff vermutlich nicht untergehen. Vielleicht sucht es wegen des hohen Wellengangs Land, läuft dort auf Grund und bleibt für eine Weile vor der Küste liegen. Das ist die Zeit des Online-Betriebs.

 

Weiterführende Literatur:

Pressemitteilung Senatskanzlei Wissenschaft und Forschung Berlin vom 18.03.2020, Zugriff am 18.03.2020:
https://www.berlin.de/sen/wissenschaft/aktuelles/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.908925.php

Katrin Schermund: Hochschulen schalten auf „Notbetrieb“. Die Ausbreitung des Coronavirus „Sars-Cov-2“ trifft auch die Wissenschaft immer stärker. Jetzt sind schnell digitale Lösungen gefragt vom 25.03.2020, Zugriff am 25.03.2020:
https://www.forschung-und-lehre.de/management/hochschulen-schalten-auf-notbetrieb-2636/